Wenn Werbung als KI-generiert gekennzeichnet wird, klicken Nutzer deutlich seltener. Eine neue Studie aus den USA zeigt, dass ein einfacher Hinweis wie „Mit KI erstellt“ ausreicht, um die Performance digitaler Anzeigen massiv zu drücken – im Schnitt um rund ein Drittel. Für Werbetreibende stellt sich damit eine brisante Frage: Wie transparent muss, wie transparent darf Werbung künftig sein?
Neue Studie: KI-Hinweis als Conversion-Killer?
In einer empirischen Untersuchung zweier US-Universitäten wurden verschiedene Online-Anzeigen getestet, die sich in zwei Punkten unterschieden:
- Wurden die Werbemotive mit Hilfe von Bild-KI erstellt oder klassisch produziert?
- Waren die Anzeigen als KI-generiert gekennzeichnet oder nicht?
Die Forschenden spielten die Motive in realen Werbeumgebungen aus und verglichen anschließend Klickraten und Interaktionswerte. Das Ergebnis zeichnet ein vielschichtiges Bild:
- Komplett KI-generierte Anzeigen können sehr gut performen – teils sogar besser als klassische Creatives.
- Hybrid-Ansätze, bei denen menschliche Entwürfe nur mit KI „verschönert“ wurden, blieben hinter den Erwartungen zurück.
- Explizite Kennzeichnung als KI-Werbung sorgte im Schnitt für einen Einbruch der Klickraten um etwa ein Drittel.
Die Studie zeigt, dass nicht die KI selbst das Problem ist, sondern der Hinweis darauf
Warum Nutzer bei KI-Hinweisen zögern
Die Forschenden führen den Rückgang der Klicks nicht primär auf die Bildqualität zurück, sondern auf psychologische Effekte. Nutzer interpretieren den KI-Hinweis offenbar als Warnsignal.
Misstrauen und Qualitätszweifel
- Geringeres Vertrauen: Viele Menschen fürchten Manipulation, Deepfakes oder irreführende Inhalte, wenn KI im Spiel ist.
- Wahrgenommene Billigproduktion: Ein KI-Label kann den Eindruck vermitteln, dass Unternehmen an Kreativen sparen – und womöglich auch an Produktqualität.
- Authentizitätsverlust: Markeninszenierungen leben von Emotionen und „echten“ Geschichten. „Erstellt von KI“ wirkt für manche Zielgruppen wie ein Bruch dieser Erzählung.
Transparenz über KI-Nutzung ist moralisch geboten, kann aber kurzfristig messbare Werbewirkung kosten
Generieren schlägt Modifizieren
Überraschend deutlich fällt der Vergleich zwischen voll KI-generierten und nur KI-veredelten Anzeigen aus. Während erstere häufig besonders gut performen, schneiden hybride Varianten im Mittel schlechter ab.
Was vollautomatisierte Motive so erfolgreich macht
- Hohe visuelle Auffälligkeit: KI-Bilder können extreme Perspektiven, Farbkombinationen und Motive erzeugen, die klassische Fotografie sprengen.
- Schnelles Testing: Werbeteams können in kurzer Zeit viele Varianten produzieren und datenbasiert optimieren.
- Strikte Zielgruppenanpassung: Motive lassen sich extrem fein an Interessen, Kontexte und Kampagnenziele anpassen.
Im Gegensatz dazu scheinen Anzeigen, die lediglich auf menschlicher Arbeit aufbauen und per KI „aufgehübscht“ werden, bei Nutzern weniger klar eine neue, eigene Bildsprache zu kommunizieren – sie wirken häufig wie eine leicht überzeichnete Version bekannter Werbebilder.
Spagat zwischen Regulierung, Ethik und Performance
Politik und Plattformbetreiber erhöhen den Druck, KI-Einsatz in der Werbung transparent zu machen. Gleichzeitig zeigen die Studiendaten: Offenheit kostet Reichweite und Umsatz.
Regulatorische Erwartungen
- Neue Gesetze und Leitlinien fordern klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten, um Täuschung und Desinformation zu verhindern.
- Plattform-Richtlinien großer Tech-Unternehmen gehen teils noch weiter und verlangen KI-Hinweise bei bestimmten Formaten standardmäßig.
Risiken für Unternehmen
- Sinkende Klickraten: Ein Drittel weniger Klicks kann Kampagnenbudgets spürbar entwerten.
- Markenimage: Wird KI-Einsatz als „Kostensparen auf dem Rücken der Kreativen“ wahrgenommen, drohen Reputationsschäden.
- Rechtliche Unsicherheit: Unterschiedliche Regeln in verschiedenen Märkten erschweren eine einheitliche Werbestrategie.
Werbungtreibende müssen ihre Messlatte verschieben – weg von reinen Klickraten, hin zu langfristigem Vertrauen in Marke und Botschaft
Strategien für den Umgang mit KI in der Werbung
Die Studie liefert keinen Freifahrtschein für intransparente KI-Nutzung, aber klare Hinweise, wie Unternehmen reagieren können.
Kennzeichnen – aber richtig
- Kontext statt Warnschild: Statt eines nüchternen „Mit KI erstellt“ könnte ein erklärender Zusatz helfen, etwa: „Visual erstellt mit KI, Inhalte redaktionell geprüft.“
- Positive Rahmung: KI als Kreativwerkzeug statt als Ersatz für Menschen darstellen, zum Beispiel: „Innovatives KI-Design, entwickelt von unserem Kreativteam.“
- Transparente Erläuterungen auf Landingpages: Wer erklärt, wie KI eingesetzt wird und welche Qualitätsprüfungen erfolgen, stärkt Vertrauen.
Datengetriebene Kreativität
- A/B-Tests mit und ohne Kennzeichnung: Marken sollten differenziert testen, wie verschiedene Hinweisvarianten in unterschiedlichen Zielgruppen wirken.
- Segmentierte Ansprache: Tech-affine Zielgruppen reagieren möglicherweise positiver auf KI-Hinweise als skeptische Nutzersegmente.
- Kombination aus echten Menschen und KI-Bildern: Authentische Testimonials können das gefühlte Risiko von KI-Visuals abmildern.
Was die Entwicklung für die Zukunft der Werbebranche bedeutet
Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich als Weckruf verstehen: KI revolutioniert die Produktion von Werbeinhalten – doch die Wahrnehmung beim Publikum bleibt ein entscheidender Faktor. Die Technologie allein garantiert keinen Erfolg.
- Kreativagenturen müssen neue Bildsprachen entwickeln, die KI-Power nutzen, ohne ihre Zielgruppen zu überfordern.
- Marketingabteilungen brauchen klare Leitlinien, wann und wie KI-Einsatz kommuniziert wird.
- Forschende und Regulierer stehen vor der Aufgabe, Regeln zu schaffen, die Nutzer schützen, ohne Innovation abzuwürgen.
Die zentrale Herausforderung lautet: KI in der Werbung so einzusetzen, dass sie Effizienz steigert, ohne die fragile Ressource Vertrauen zu verspielen
Fest steht: Die Frage ist nicht mehr, ob KI in der Werbung genutzt wird – sondern wie offen Unternehmen damit umgehen, und welchen Preis sie bereit sind, dafür in Form sinkender Klickraten zu zahlen.